Geschichte Berlins by Stöver Bernd
Autor:Stöver, Bernd
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406623394
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2014-12-29T05:00:00+00:00
6. Wieder eine Doppelstadt: Berlin-West – Berlin-Ost 1946–1961
Krisengebiet und Leistungsschau der Systeme
Dass Berlin im Mittelpunkt des beginnenden Systemkonflikts stand, hatte sich bereits 1945/46 in der Entscheidung der Hauptsiegermächte gezeigt, Rundfunksender exklusiv für Berlin und seine Umgebung einzurichten. Als Gegengewicht zu dem von den Sowjets kontrollierten Berliner Rundfunk (vormals Radio Berlin) entstand 1946 der Vorläufer des im September auf Sendung gehenden RIAS, des berühmten «Rundfunks im amerikanischen Sektor». Man sendete zunächst aus der Schöneberger Winterfeldtstraße, ab 1948 aus der dortigen Kufsteiner Straße. Das Gebäude in der Nachbarschaft des Schöneberger Rathauses, dem späteren Sitz des Regierenden Bürgermeisters von Westberlin, zeigt bis heute das berühmte RIAS-Emblem. Im Verlauf der Ersten Berlinkrise 1948/49 wurde der Sender mit seinen amerikanischen Direktoren und deutschen Mitarbeitern zum wahrscheinlich erfolgreichsten westlichen Propagandasender im Kalten Krieg: 24 Stunden täglich Programm, 80 Prozent Zuhöreranteil in ganz Berlin. Er ließ den Berliner Rundfunk, der bis 1952 noch aus dem Haus des Rundfunks an der Masurenallee in Westteil Berlins sendete, um Längen hinter sich.
Der Beginn der Ersten Berlinkrise hing eng mit den Notwendigkeiten des Marshallplans (ERP) zusammen, der am 3. April 1948 gestarteten amerikanischen Aufbauhilfe. Eine Voraussetzung für ihren Erfolg waren klare ökonomische Verhältnisse, insbesondere eine neue Währung. Die Währungsreform, die in den Westzonen am 20. Juni 1948 begann und in der SBZ drei Tage später folgte, war gleichzeitig der Beginn der sowjetischen Blockade Westberlins. Allerdings hatten die Behinderungen der freien Versorgung Westberlins unter dem Vorwand technischer Störungen bereits am 24. Januar 1948 begonnen. Ende Juni zog Stalin die Schlinge fast vollständig zu: Bahntrassen, Binnenschifffahrt und Straßen wurden unterbrochen, zuletzt wurde auch die Stromversorgung für Westberlin gekappt. Allein die durch interalliierte Verträge gesicherten Luftkorridore waren nicht von der Sperre betroffen. Stalin befürchtete wohl zu Recht, die Blockade des Luftraums werde zum militärischen Konflikt führen. Als Flugplätze nutzten die Sowjets neben Staaken und Johannisthal nun auch Schönefeld, das ab 1955 zum zentralen Flughafen der DDR wurde. Mitten in der Berlinkrise stellte man auch die verbliebenen Reste gemeinsamer Stadtverwaltung endgültig ein.
Die Westmächte waren fest entschlossen, ihre Rechte in der Stadt und damit auch die Existenz von Westberlin zu verteidigen. Am 28. Juni 1948 fiel die offizielle Entscheidung Trumans, die amerikanische Präsenz aufrechtzuerhalten, selbst wenn es dadurch zum Krieg kommen sollte. In einer mit gigantischem Aufwand aufrechterhaltenen Luftbrücke von Westdeutschland zu den Westberliner Flughäfen versorgten die Angloamerikaner die Stadt, bis die Sowjets die Zufahrtswege Mitte 1949 wieder öffneten. Dafür wurden die bestehenden Flughäfen Tempelhof und Gatow im amerikanischen und britischen Sektor für die Landung der «Rosinenbomber» erweitert und im französischen Sektor der Flugplatz Tegel neu gebaut. Ganze Elektrizitätswerke wurden eingeflogen, so das Kraftwerk Reuter. Vornehmlich allerdings bestand die Last aus Kohle (62,8 Prozent) und Lebensmitteln (27,9 Prozent). Von den insgesamt über 1,7 Millionen Tonnen waren nur knapp 161 Tonnen Industriegüter. Auch Tote waren zu beklagen: Die ersten 15 bereits am 5. April 1948, mitten in der Phase, die man damals als «kleine Blockade» bezeichnete, als ein sowjetischer Jagdbomber vom Flugplatz Staaken mit einer britischen Passagiermaschine im Anflug auf Gatow zusammenstieß. Insgesamt gingen 38 Flugzeuge verloren, auch, weil im Häusermeer Berlins zeitweilig nur schlecht navigiert werden konnte.
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